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Dienstag, 7. Februar 2006

Mohammed Karikaturen

Worum geht es eigentlich in der ganzen Diskussion um die Mohammed Karikaturen? Geht es um Meinungsfreiheit? Geht es um religiöse Gefühle?

Nicht in erster Linie. Das ganze entfaltet sich als ein Drama in drei Akten. Im ersten Akt erfolgt die billige populistische Provokation einer rechten dänischen Zeitung, die bereits im September begann und glücklicherweise erst gar nicht beachtet wurde, bis die „Jyllands-Posten” anscheinend selbst noch einmal auf diese Geschmacklosigkeiten aufmerksam machen musste, damit sie ihre Wirkung entfalten.

Wer greift solche dummen Provokationen auf? Wer lässt sich dazu herab, dieses Heischen um Aufmerksamkeit einer nationalkonservativen Zeitung überhaupt zu beachten? Die Mehrheit der gebildeten und normal-religiösen muslimischen Mitbürger in Europa haben sicher angewidert die Augen verdreht und sich einen Moment fürchterlich über die Ignoranz der Karikaturisten und der Zeitung, die sie veröffentlicht, geärgert, oft ging der Ärger wohl auch so weit, dass sie mit ihren Freunden und Arbeitskollegen darüber diskutiert haben. Aber vermutlich ist es ihnen nicht einmal in den Sinn gekommen, mit einer dänischen Flagge zu zündeln, geschweige denn eine Botschaft niederzubrennen.

Aufgegriffen – und zwar gerne - haben diese Provokation genau diejenigen, die auf muslimischer Seite ebenfalls gerne zu massentauglichen, simplen und provokativen verbalen Angriffen tendieren, denen es aber weniger um die Ehre Mohammeds geht sondern vielmehr um eigene politische Machtansprüche, um die militaristische Zersetzung der zivilen Gesellschaft, um wirtschaftliche Interessen und Vetternwirtschaft. Der zweite Akt ist der politische Teil und nicht der religiöse – Religion spielt hier lediglich die Rolle, die die Spannung aufbauen soll.

Angestoßen von einer Zeitung mit ausländerfeindlichen Tendenzen entsteht eine blanke Inszenierung durch politische Gruppen, die religiöse Gefühle instrumentalisieren um bestimmte Ziele durchzusetzen oder einfach nur Chaos zu verbreiten. Es tut weh mit anzusehen, wie die tiefgehende Religiosität von vielen Muslimen ausgenutzt und ausgebeutet wird um Interessen zu realisieren, die mit ihrer Religion nichts zu tun haben – aber es spricht auch nicht gerade für diese muslimischen Gruppen, dass sie dieses Spiel nicht durchschauen.

Das sie sich instrumentalisieren lassen, liegt nicht an ihrer religiösen Richtung – jeder Religion ist ein gewisser Fanatismus eigen. Der Grund ist noch nicht einmal die Religiosität allgemein – dass Menschen sich durch Demagogen manipulieren lassen und ihre individuelle Kritikfähigkeit hinten anstellen ist ein Phänomen, von dem gerade die deutsche Geschichte aufzeigt, dass es nichts mit einer Religion zu tun haben muss. Massenmanipulation geht allerdings sehr viel leichter, wenn man sich aus einer bereits vorhandene intersubjektiven Basis von Anschauungen und Emotionen bedienen kann.

Erst im dritten Akt erscheint die Reaktion des „Westens“ auf der Bühne, sieht sich um und erkennt, dass sie irgendwie tätig werden muss. Soll sie den Finger auf die offensichtliche politische Agitation legen? Diplomatisch nicht geschickt. Gibt der erste Akt etwas her, das man zur dramaturgischen Steigerung aufgreifen kann? Nicht mehr viel, das Modestatement der „Jyllands-Posten” ist mittlerweile durch aufgeladene Weltanschauung überlagert worden. Gut, denkt der Westen, auf Religion kann nur Philosophie antworten. Auftritt der Meinungsfreiheit, gefolgt von den übrigen „westlichen Werten“.

Gut, das ist nur halb so dämlich, wie es auf den ersten Blick scheint. Meinungsfreiheit ist ein wesentlicher Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft. Punkt. Aber mit dieser Reaktion wird an einem Drama weiter geschrieben, das von Anfang an so schlecht war, dass es sofort in die Tonne gehört hat. Die Instrumentalisierung geht weiter und zwar nun auf der Seite des Westens. Auf einmal scheint unsere gesamte westliche Zivilisation in Gefahr. Es wird polarisiert und kontrastiert und damit nähert man sich langsam wieder dem ersten Akt und der „Jyllands-Posten” mit ihrer Kleinkinder-Ausländerfeindlichkeit.

Dieser Zeitung ist es niemals in erster Linie um Meinungsfreiheit gegangen sondern nur um die Steigerung der Auflage. Wenn sie sich damals auf Meinungsfreiheit berufen hat, dann nur um einer Schlagzeile wegen, wenn sie es heute tut dann weil sie dankbar auf den immer schneller werdenden Zug aufspringt. Schließlich, was ist Meinungsfreiheit – nicht nur ein Recht alles zu sagen was man will sondern auch die Verpflichtung, diese Freiheit verantwortlich zu nutzen. Meinungsfreiheit ist kein Mittel um materielle oder politische Ziele zu erreichen und wir sollten Meinungsfreiheit in diesem Fall genauso wenig instrumentalisieren wie es Syrien, Saudi-Arabien und der Libanon mit der Religion tun. Und es würde die Situation sehr entschärfen: wenn man das weltanschauliche Feuer löscht, bleibt in der Asche nur journalistische Arroganz und Kurzsichtigkeit und politische Machtbesessenheit. Und damit können wir doch alle umgehen, oder?

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