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Sonntag, 2. August 2009

die 68er und die heutige Jugend

Gestern saßen wir bei wunderbarem Wetter auf einer sehr schönen Terasse mit Blick auf die waldreiche Umgebung und haben mit einer netten und altersgemischten Gruppe gegrillt. So ab 0 Uhr kamen dann plötzlich politische und gesellschaftspolitische Themen auf den Tisch, also zu einer Zeit und mit einem Alkoholpegel, wo man das vielleicht doch lieber unterlassen sollte. Und so kam dann auch der Ausspruch, auf den man eigentlich in einem solchen Zusammenhang immer wetten kann: die Jugend von heute bringts nicht. Wenn man mal an die 68er denkt, was die noch alles geleistet haben...

Gestern konnte ich nur einwerfen, dass die 68er die letzte Generation war, die nicht mit dem Fernsehen sozialisiert wurden, aber heute mittag, bei Licht betrachtet, wird mir auf einmal die ganze Ungerechtigkeit der o.g. Phrase deutlich. Ich möchte die soap- und castingsüchtigen Internetsurfer unter 20 nicht in Schutz nehmen, aber muss sich die Jugend von heute wirklich mit den 68er vergleichen lassen?

Genaugenommen waren die 68er doch genauso eine Spassgesellschaft wie die heutige Jugend und darüber hinaus lag die Effizienz der 68er allein in der Entwicklung neuer sozialer und individueller Lebensformen, also genau das, was die 00er auch für sich suchen. Die 68er trafen sich unter sehr allgemeinen Schlagworten wie "Frieden" zu Happenings und Demos, aber mir kann niemand erzählen, dass der Großteil von den Teilnehmern mit dem Ziel dorthin gegangen ist, seine politischen Ansichten zu diskutieren - sie wollten Leute kennenlernen, sie wollten dazugehöhren, und sie dachten, dass auf Demos in sexueller Hinsicht die Luzie abgeht.

Und diese politischen Schlagworte, die oberflächlich solche Veranstaltungen klassifizierten, waren nicht nur so allgemein, dass sie fast schon als leer gelten konnten, sie waren auch völlig unreflektiert und schon fast wieder gefährlich. So wurden dort politische Systeme als Alternativen propagiert, die sich im nachhinein als brutale Ditkaturen herausgestellt haben, deren Verschleiß an politischen Gegnern den Nazis nur wenig nachstanden. Ich glaube, in diesem Moment ist mir eine Jugend lieber, die sich nicht für Politik interessiert, als eine Jugend, die ohne zu überlegen einen Schlächter wie Ho Chi Minh glorifiziert.

Was war also so politisch an diese Generation? Jemand wie Rudi Dutschke, der sein Horkheimer-Adorno-Vokalbular genussvoll zelebriert hat, und seitenlange Phrasen von sich gegengeben hat, die niemand verstanden hat und die ihre Bedeutung wahrscheinlich unterwegs irgendwann mal verloren haben? Die 68er waren genauso vom Personenkult geprägt wie die Generation vor ihnen (Gott bewahre) und die Generationen nach ihnen. Personenkult ist nie gut, ob es sich nun um Rudi Dutschke und Andreas Baader handelt oder um Paris Hilton und Dieter Bohlen.

Wenn man böse ist, kann man auch lapidar feststellen, dass die einzige politische Wirkung, die die 68er hatte, über die RAF vermittelt war, und darin bestand, dass Gesetze verschärft wurden und Personenrechte eingeschränkt wurden. Und wenn wir gerade bei der RAF sind, kann niemand ernsthaft behaupten, dass dies eine Option für die heute Jugend ist, sich politisch zu betätigen, wobei nicht vergessen werden sollte, dass die RAF auch ihre (vielleicht anfangs mal irgendwann in der Person von Meinhof bestehenden) politischen Ziele gerne und umgehend zugunsten ihres eigenen Personenkults und um ihres eigenen Fortbestandes willens völlig vergessen haben und sinnentleert munter drauflos geballert haben.

Schließlich kann man sich auch fragen, wer denn die 68er, dieses ominöse Schlagwort, überhaupt kreeiert und glorifiziert hat, und da fällt mir spontan die Bildzeitung ein.

Schließlich, womit kann man die "Jugend von heute" überhaupt vergleichen? Eine echte Jugend gab es doch erst im 20. Jahrhundert. Vorher haben die Kinder auf den Höfen ihrer Eltern gearbeitet oder nach der industriellen Revolution in den Fabriken gearbeitet, wenn sie 10 Jahre alt waren. Also, wo sind die Vorbilder für die 00er, die in dieser Zeit entstanden sind? Die Hitlerjugend? Ganz toll. Also bleiben eigentlich nur die völlig überbewerteten, ineffizienten und spassorientierten 68er und wenn das die einzige moralische Bastion ist, gegenüber der sich die 00er verteidigen müssen, dann kann das keine große Herausforderung bedeuten.

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