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Die Verschwundenen von Jean-Francois Vilar

Die-Verschwundenen

Das Jahr 1938 und das Jahr 1989. Paris und Prag. Trotzki und der Zusammenbruch der Sowjetunion.

Wenn man in der Geschichte sucht, ergeben sich immer Verbindungen, Ähnlichkeiten, Koinzidenzen. Wenn man darauf aus ist, kann man aufdringliche Thesen darüber erstellen, dass alles miteinander verknüpft ist und letztlich einen geheimen Sinn verbirgt. Eine weniger alberne Art und Weise mit Geschichte umzugehen ist das Aufzeigen von Parallelen, um etwas in Erinnerung zu rufen.

Francois Vilar knüpft eine Geschichte, er webt die Vergangenheit des Jahres 1938 und die Gegenwart 1989 zusammen (das Buch ist 1993 in Frankreich erschienen) und schafft dadurch ein Stückchen lebendige Geschichte, oder noch besser, er erweckt die Geschichte in der Gegenwart zum Leben. Vielleicht könnte man an die Geschichtsphilosophie von Walter Benjamin denken, der auch in dem Buch „Die Verschwundenen“ kurz angesprochen wird. Für Benjamin ist der Begriff der Gegenwart konstitutiv für den Geschichtsbegriff. Geschichte wird als gegenwartszentriert beschrieben, geschichtliches Denken geht von der Gegenwart aus, stellt einen Bezug zwischen Vergangenheit und Gegenwart her. Geschichtliches Denken hat das Ziel, ein Gegenwartsbewusstsein zu erlangen, und letztlich Handlungsfähigkeit herzustellen, um die Gegenwart selbst zu bestimmen und zu beeinflussen. Und indem die Vergangenheit aktualisiert wird, wird sie gerettet.

Gerettet wird die Geschichte von Alfred Katz, einem Trotzkisten und Anhänger des Surrealismus, von Mila, emanzipiert und schillernd, und von den Menschen, die für sie eine Rolle gespielt haben in diesem ereignisreichen Jahr 1938, in dem die politischen Gegensätze unüberbrückbar gegeneinander standen, die Kunst mit dem Surrealismus eine neue Rationalität erfand, und der zweite Weltkrieg schon so nah war. Die Schilderungen in dem Tagebuch, das plötzlich einen Leser im Jahr 1989 findet, holen ein Jahr voller Leben, extremer Gefühle, verzweifelter Ausgelassenheit und zukunftsbestimmender Entscheidungen aus der Versenkung. Das letzte Jahr, bevor die Welt im Chaos des zweiten Weltkriegs versank. Der Leser im Jahr 1989 ist Victor Blainville, der mit dem Sohn jenes Alfred Katz nach einer dreijährigen Entführung entlassen wird. Genauso wie Victor und Alex Katz schien die ganze Welt während des kalten Kriegs aus dem Verkehr gezogen zu sein, um plötzlich zu erwachen. 1989 brach wie für Victor und Alex für einen unglaublichen Moment, der sich über ein paar Monate hinzog, auch für die politische und kulturelle Welt die Freiheit durch die verkrusteten und vertrockneten Strukturen.

Jede Geschichte braucht einen Anfang, einen Auslöser, einen Rahmen. Auslöser ist die gemeinsame Entführung von Victor, einem Pressefotografen (und dem perfekten Beobachter) und Alex, die sich ein Taxi vom Flughafen eines krisengeschüttelten Landes teilen und gemeinsam entführt werden. Sie suchen nach Gründen, beschuldigen sich gegenseitig, verantwortlich für die Entführung zu sein und schließen eine Allianz. Nachdem sie entlassen werden, will Alex sich mit Victor treffen und wird von einem Auto überfahren.

Das menschliche Bewusstsein ist ein Sinnstifter, es ist ein Gründe-Geber, es ist ein Konstrukteur von Bedeutung. Vielleicht war alles nur ein Zufall, die Entführung, der Todesfall. Vielleicht aber auch nicht. Victor kommt aus der Entführung zurück in eine tabula rasa. Seine Wohnung ist zerstört und geplündert, die Welt steht an der Schwelle einer umwälzenden Veränderung, seine Freunde sind entfremdet. Ohne, dass er es will oder bewusst plant, konstruiert er sich eine neue Realität, die durch Alex, seinen Vater Alfred, und ein Tagebuch, das die Geliebte Alex´ ihm übergibt, gestrickt wird. Er lebt die Geschichte von Alfred nach, versucht hinter das Geheimnis seines Todes zu kommen, und gleichzeitig versucht er diese Gegenwart zu verstehen, die sich in der Zeit der Entführung ohne ihn weiterentwickelt hat.

Das Buch ist vollgepackt, es ist komplex, überraschend, verwirrend, lässt den Leser nicht los und überlässt ihn gleichzeitig sich selbst. Der Leser wird mit Victor in einen Strudel hineingezogen, aus dem er am Ende des Buchs etwas unsanft heraus geschleudert wird. Zurück bleibt dieses Gefühl, dass die Welt ein unverständliches Gewusel ist, in dem man jedoch auch einen Platz einnimmt. Als Teil von etwas, dem man nur von sich aus einen Sinn verleihen kann.
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