Autozeitfahren
Autobahnfahren erinnert mich immer an einen Zeitpfeil. Es geht vorwärts und auch die Zeit existiert hauptsächlich in der Zukunft. Man antizipiert das, was noch kommt: gleich kommt die Talbrücke, später auf die A1 wechseln, in einer Stunde bin ich zu hause. Wenn ich an einem Stau vorbeifahre, bin ich den Autofahrern, denen ich in fünf Minuten begegne, und die noch munter 130 fahren, in ihrer Zeit voraus: ich kann in ihre Zukunft sehen und weiß, daß sie gleich abbremsen und danach im Stau stehen. Kennt Autobahnfahren ein Jetzt? Irgendwie ist es die reale dynamische Abbildung des „Jetzt ist jetzt schon wieder vorbei“, weil ich mich ständig bewege, und diese Bewegung ist so gleichförmig, so schnurgerade und von Leitplanken eingeschränkt, geradezu plastisch für den Fluß der Zeit. Die Vergangenheit hinter mir entfernt sich immer weiter und meist bin ich nicht in der Stimmung, beim Autobahnfahren Erinnerungen zu wälzen. Das passt nicht zur Dynamik des Fahrens. Außerdem ist Autofahren genauso leer, wie es die mechanische Zeit ist, reine Abfolge, Aufmerksamkeit, Aufnehmen – mehr nicht. Sehr erholsam und irgendwie auch beruhigend, weil man das trügerisch schöne Gefühl hat, das es vorwärts geht, egal wenn dieses Vorwärts nur quantitativ ist.
teildesganzen - 27. Mär, 21:45