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Samstag, 13. Februar 2010

Die verpasste Chance der Helene Hegemann

Literatur ist für mich ein Netzwerk, das horizontale und vertikale Verbindungen aufweist. Die horizontalen Verbindungen sind die Referenzen, Ideen, Fragen, Ausdrücke und Zitate der gegenwärtigen Literatur in all ihrer Form, sei es Romane, Zeitungsartikel, Blogs, wissenschaftliche Abhandlungen oder Comics. Die vertikalen Verbindungen sind die Referenzen, Zitate, Bezüge, Umformungen früherer Literatur, Bücher der Vergangenheit, Klassiker, Kanon. Jedes Stück Literatur ist in dieses Netzwerk eingebettet, keines steht für sich allein. Literatur lebt von Vergleichen, Weiterentwicklungen, Neuformulierungen, vom Aufgreifen und Wiederverwenden – daneben natürlich auch vom Neuen, Anderen, Unerwarteten, das aber nur neu und unerwartet ist vor dem Hintergrund von etwas Bekanntem.

Hegemann und ihr Buch Axolotl Roadkill, das ich nicht gelesen habe, sind Gegenstand einer Diskussion,die sich in diesem Themenkreis bewegt. Ihr wird vorgeworfen, u.a. aus einem Buch und einem Blog des Bloggers Airen nahezu wörtlich zitiert zu haben und sie verteidigt sich damit, dass sie Angehörige einer Zeit ist, die das eben so macht, dass für sie„die Aufnahme von Bezügen aus Internetforen, Blogs, Liedtexten und Büchern künstlerisches Programm und kein Zeichen von eigener Ideenlosigkeit (ist)“ Und die Kritiker fangen nervös an zu hampeln. Was ist das jetzt schon wieder? Wie jetzt reagieren? Grundsätzlich ist es ja unmoralisch zu klauen. Aber andererseits, wenn die neue Generation des jetzt so macht? Wenn das innovativ ist? Sind wir jetzt alt und unflexibel? (so jedenfalls mein Eindruck) Und dann tauchen in dieser Diskussion immer zwei Komponenten auf: Frau Hegemann selbst und das Problem Urheberrecht/Originalität.

Frau Hegemann selbst ist 17, sie jung, gibt sich ein wenig unbedarft (jedenfalls bei Harald Schmidt, aber vielleich war das ja auch nur Masche, von wegen: das überfordert mich alles total, ich spiel mit meinen Haaren und ihr seid dann mal schön nett zu mir, ….) und so richtig traut sich keiner, ihr mal die Meinung zu sagen, was für mich ein Zeichen dafür ist, dass sie keiner für voll nimmt. Harald Schmidt hat sie gefragt, ob ihr Alter in den Diskussionen eine Rolle spielt, und natürlich tut es das. Sie sagt, darüber will sie gar nicht reden, aber gleichzeitig kann sie nicht leugnen, dass sie die hibbelige Attitüde einer Jugendlichen hat, die zum ersten Mal im Rampenlicht steht und es einerseits total genießt und andererseits das ungute Gefühl hat, dass das alles leicht nach hinten losgeht (das zumindest unterscheidet sie von den publicitygeilen Talkshowbesuchern, die dieses Gefühl noch nie hatten). Und selbst ein Harald Schmidt kann in dieser Situation nicht anders als ihr immer wieder zu versichern, dass sie ja so intelligent und eloquent sei, eiteitei, was hochnotpeinlich anzuschauen war. Ihre Jugend zeigt sich auch darin, dass sie anscheinend noch immer nicht begriffen hat, was da gerade mit ihr passiert; dass sie verheizt wird. Was sie gemacht hat, war völlig ok. Sie war kreativ, was viele Jugendlichen tun oder tun sollten, sie hat sich ausprobiert, sie hat gespielt. Sie hat sich mal so richtig ausgekotzt und vielleicht auch ihr Leben literarisch aufgepimpt. Das ist erlaubt und ok. Was nicht ok ist, sind die Erwachsenen, die ihr eingeredet haben oder sich von ihr haben überreden lassen, dass man dieses Ausprobierte veröffentlichen soll, nicht nur ohne irgendeine Prüfung, für die es vielleicht anfangs keinen Anlass gab, aber auch ohne Interesse, was dieses Buch (und vor allem der Inhalt) aus ihr machen wird. Für Verleger ist der Inhalt „heißer Scheiß“ und die Form „Jugendsprache“, und das kann man hervoragend vermarkten und was letztlich aus dem Autor wird, ist ihnen ziemlich egal. Frau Hegemann denkt wahrscheinlich, wenn sie erst mal den Fuß in der Tür hat, ist sie auch schon mitten im Literaturbetrieb, aber das hat bei Francoise Sagan auch nicht funktioniert. Manchmal hat man den Fuss eben in der falschen Tür.

Der andere Aspekt ist das Urheberrecht und Frau Hegemanns Äußerung, dass die Internetgeneration sich im Internet bedient. Das greift für mich ein wenig auf das Google-Settlement-Problem herüber, auf das MP3-Problem, auf die Grenzen von Öffentlichkeit im Internet. Und hier hat Frau Hegemann in meinen Augen eine riesige Chance verpasst, weil sie eben nur einen weiteren „coming of age“-Roman veröffentlicht hat, einer von vielen in der langen Reihe vom Fänger im Roggen bis zu Twelve. Jedes gute Buch hat mehrere Reflexionsebenen, und wenn Frau Hegemann schon auf eine Art Collagentechnik beim Schreiben zurückgreift und diese auch nur wenig verschleiert, hätte sie genau dieses Vorgehen zum (Meta-)Thema machen können. Sie hätte es offensiv angehen können, anstatt es unangesprochen zu lassen (und ins offene Messer zu laufen), sie hätte die Collage explizit zur Kunstform erheben, zu ihrem Markenzeichen oder auch zum Markenzeichen ihrer Generation machen können. Schriftsteller, die zu diesem Thema befragt wurden, sagen, es ist ok zu zitieren, wenn man das Zitat kenntlich macht. Aber grundsätzlich kann man auch über das Zitieren selbst reflektieren, über die Art und Weise wie man mit den Quellen umgeht, ob die Grenzen zwischen Quellen und dem eigenen Schreiben verschwinden dürfen oder ob sie es unwillkürlich tun, ob öffentlicher Zugriff auf etwas Geschriebenes auch bedeutet, dass man es als etwas Eigenes ausgeben darf, ob das was Frau Hegemann schreibt nun auch für andere als Versatzstücklager zur Verfügung steht, usw. - und diese Reflexionen literarisch explizit machen. Das wäre dann vielleicht ein Buch geworden, das nicht nur für die Sensations-Hype-Leser und Liebhaber von Kacke-Ficken-Kotze-Literatur interessant wäre.

Sonntag, 2. August 2009

die 68er und die heutige Jugend

Gestern saßen wir bei wunderbarem Wetter auf einer sehr schönen Terasse mit Blick auf die waldreiche Umgebung und haben mit einer netten und altersgemischten Gruppe gegrillt. So ab 0 Uhr kamen dann plötzlich politische und gesellschaftspolitische Themen auf den Tisch, also zu einer Zeit und mit einem Alkoholpegel, wo man das vielleicht doch lieber unterlassen sollte. Und so kam dann auch der Ausspruch, auf den man eigentlich in einem solchen Zusammenhang immer wetten kann: die Jugend von heute bringts nicht. Wenn man mal an die 68er denkt, was die noch alles geleistet haben...

Gestern konnte ich nur einwerfen, dass die 68er die letzte Generation war, die nicht mit dem Fernsehen sozialisiert wurden, aber heute mittag, bei Licht betrachtet, wird mir auf einmal die ganze Ungerechtigkeit der o.g. Phrase deutlich. Ich möchte die soap- und castingsüchtigen Internetsurfer unter 20 nicht in Schutz nehmen, aber muss sich die Jugend von heute wirklich mit den 68er vergleichen lassen?

Genaugenommen waren die 68er doch genauso eine Spassgesellschaft wie die heutige Jugend und darüber hinaus lag die Effizienz der 68er allein in der Entwicklung neuer sozialer und individueller Lebensformen, also genau das, was die 00er auch für sich suchen. Die 68er trafen sich unter sehr allgemeinen Schlagworten wie "Frieden" zu Happenings und Demos, aber mir kann niemand erzählen, dass der Großteil von den Teilnehmern mit dem Ziel dorthin gegangen ist, seine politischen Ansichten zu diskutieren - sie wollten Leute kennenlernen, sie wollten dazugehöhren, und sie dachten, dass auf Demos in sexueller Hinsicht die Luzie abgeht.

Und diese politischen Schlagworte, die oberflächlich solche Veranstaltungen klassifizierten, waren nicht nur so allgemein, dass sie fast schon als leer gelten konnten, sie waren auch völlig unreflektiert und schon fast wieder gefährlich. So wurden dort politische Systeme als Alternativen propagiert, die sich im nachhinein als brutale Ditkaturen herausgestellt haben, deren Verschleiß an politischen Gegnern den Nazis nur wenig nachstanden. Ich glaube, in diesem Moment ist mir eine Jugend lieber, die sich nicht für Politik interessiert, als eine Jugend, die ohne zu überlegen einen Schlächter wie Ho Chi Minh glorifiziert.

Was war also so politisch an diese Generation? Jemand wie Rudi Dutschke, der sein Horkheimer-Adorno-Vokalbular genussvoll zelebriert hat, und seitenlange Phrasen von sich gegengeben hat, die niemand verstanden hat und die ihre Bedeutung wahrscheinlich unterwegs irgendwann mal verloren haben? Die 68er waren genauso vom Personenkult geprägt wie die Generation vor ihnen (Gott bewahre) und die Generationen nach ihnen. Personenkult ist nie gut, ob es sich nun um Rudi Dutschke und Andreas Baader handelt oder um Paris Hilton und Dieter Bohlen.

Wenn man böse ist, kann man auch lapidar feststellen, dass die einzige politische Wirkung, die die 68er hatte, über die RAF vermittelt war, und darin bestand, dass Gesetze verschärft wurden und Personenrechte eingeschränkt wurden. Und wenn wir gerade bei der RAF sind, kann niemand ernsthaft behaupten, dass dies eine Option für die heute Jugend ist, sich politisch zu betätigen, wobei nicht vergessen werden sollte, dass die RAF auch ihre (vielleicht anfangs mal irgendwann in der Person von Meinhof bestehenden) politischen Ziele gerne und umgehend zugunsten ihres eigenen Personenkults und um ihres eigenen Fortbestandes willens völlig vergessen haben und sinnentleert munter drauflos geballert haben.

Schließlich kann man sich auch fragen, wer denn die 68er, dieses ominöse Schlagwort, überhaupt kreeiert und glorifiziert hat, und da fällt mir spontan die Bildzeitung ein.

Schließlich, womit kann man die "Jugend von heute" überhaupt vergleichen? Eine echte Jugend gab es doch erst im 20. Jahrhundert. Vorher haben die Kinder auf den Höfen ihrer Eltern gearbeitet oder nach der industriellen Revolution in den Fabriken gearbeitet, wenn sie 10 Jahre alt waren. Also, wo sind die Vorbilder für die 00er, die in dieser Zeit entstanden sind? Die Hitlerjugend? Ganz toll. Also bleiben eigentlich nur die völlig überbewerteten, ineffizienten und spassorientierten 68er und wenn das die einzige moralische Bastion ist, gegenüber der sich die 00er verteidigen müssen, dann kann das keine große Herausforderung bedeuten.

Sonntag, 17. Mai 2009

Abitreffen - eine Analyse

Grundsätzlich war es mir egal, ob dieses Treffen sich materialisiert oder nicht. Das Abitur ist 20 Jahre vorbei, das ist ein halbes Leben, und in den letzten 20 Jahren ist mehr oder zumindest genauso viel passiert wie in den ersten 20 Jahren, also erzähle mir niemand, dass Nostalgie sich zu diesem Zeitpunkt lohnt. Eine Zeitlang war ich auch recht entschlossen, der illustren Gesellschaft meine unbarmherzige Analyse zu ersparen, dann überwog jedoch die Neugier und die nackte Angst, etwas zu verpassen. So hatte ich das Ereignis dann auch lange erfolgreich verdrängt, unterbrochen nur durch lästige E-Mails von Oliver Thiel, der personifizierten Zusammenführung zerbrochener Familien und verdrängter Freunde. Letzte Woche Montag war es dann aber soweit, dass die Zugfahrt und die Übernachtung bei den Eltern organisiert werden musste. Die sich anschließende, vielleicht typische Entwicklung einer Woche vor einem Abitreffen bestand aus folgenden Phasen:

Phase 1: Boasting - ich bin die allergrößte, mein Privatleben ist der Hammer, beruflich bin ich super erfolgreich, ich bin total zufrieden, ich habe sehr interessante Hobbies, selbstbewusstes Lächeln, gespieltes Interesse am Werdegang des Anderen, mitleidige gefakte Begeisterung (nein, Du bist beim Finanzamt, das ist ja großartig, wirklich großartig).
Phase 2: Understatement - die natürliche Reaktion auf so viel Angeberei ist die Intuition, dass das nur Leute machen, die es wirklich nötig haben. Also wird folgende Strategie entwickelt: so wenig wie möglich von sich erzählen, Beziehung - ja, Beruf - ja, Sachbearbeitung, Du weißt ja, vage Handbewegung, man entwickelt sich schon irgendwie und jeder geht seinen eigenen Weg.
Phase 3: Outfit - was soll ich anziehen? Lasse ich mich wirklich dazu herab, mir etwas neues für diesen Anlass zu kaufen? (Im Vertrauen, ich lasse nie eine Gelegenheit zum Einkaufen aus, wenn sich auch nur eine schwammige Gelegenheit andeutet. Natürlich habe ich etwas zum Anziehen gekauft.)
Phase 4: Verweigerung - das ist mir alles zu blöd, ich habe überhaupt keine Lust und werde nicht fahren.
Phase 5: Resignation und Laissez faire: läuft schon irgendwie.

Schlussendlich steht man schließlich in diesem Lokal, sieht sich um und erkennt niemanden. Ein Haufen völliger Fremder steht herum, umarmt sich, redet hektisch, stößt künstliche Freudenschreie aus - nein, du auch hier - sucht nach Anknüpfungspunkten und einem Gesprächsbeginn, der nicht stereotyp ist - und, was machst du jetzt? - während die Augen hin und her flackern, immer auf der Suche nach neuen alten Bekannten. Ich trolle mich zu den Leuten, die ich kenne, weil wir eben immer noch befreundet sind, und stelle aus diesem sicheren Hafen heraus kurzen Kontakt her zu leuten, die ich nicht mehr kenne, weil wir noch nie befreundet waren. Zu diesen Gelegenheiten stelle ich interessiert fest, dass manche Leute hinsichtlich der Strategienfindung entweder in Phase 1 oder spätestens in Phase 2 steckengeblieben sind, und darüber ist es kurios zu sehen, wie bei den ganzen Fremden der/die 19-jährige durchschimmert, der/dem man nach dem Ende des gemeinsamen Lebensweges ohne größeres Bedauern den Rücken zugekehrt hatte. Als wenn dieser Fremde, der vor einem steht und versichert, dass er alles richtig gemacht hat, nur eine Hülle für diesen kleinen, nicht totzukriegenden, Homunculus ist, der für immer und ewig im Jahr 1989 feststeckt. Das liegt natürlich daran, dass ich diese Homunculus suche und rufe, wie den Djinn aus der Lampe, aber ich bekomme eine Gänsehaut, als mir bewusst wird, dass alle anderen das bei mir auch tun. Das ist das Schlimme an Klassentreffen: das Jetzt zählt nicht, man wird in alle Ewigkeit auf die unfertige 19-jährige reduziert, die vor 20 Jahren Abitur gemacht hat.

Vielleicht die lustigste Bemerkung an diesem Abend, deren Komik ich aber erst später begriffen habe, so dass ich noch nicht mal beleidigt reagieren konnte: K (das bin ich), auch Du hast doch Deine Nische gefunden. Tja, so ist das wohl. Ich Nischenkind.

Freitag, 1. Mai 2009

Zugfahren am 30. April

ist keine gute Idee. Dort begegnet man all den Leuten, die fest entschlossen sind, in den ersten Mai zu taumeln und auch schon so einiges dazu beigetragen haben, dass sie garantiert nicht mehr gerade laufen können. Die Fahrt von Bonn nach Köln begann eigentlich recht amüsant. Eine gemischte Gruppe alternativ-angepasster, intellektuell ambitionierter und kulturell-toleranter Menschen hat sich im Zug darüber unterhalten, wie schön doch die Einsamkeit sei - eine Auffassung, die ich als distanz-soziales Wesen gut nachvollziehen kann, die mich jedoch überrascht, wenn sie aus dem Munde der jungen Bohemien kommt. Bis aus ihrer Diskussion deutlich wurde, dass alle bereits Kinder haben, was ihre Aussagen schlagartig in einem sehr verständlichen Licht erschienen ließ. Leider verstummten sie schlagartig, als eine weitere Gruppe sich an der nächsten Haltestelle in den bereits leicht überfüllten Zug drängte. Es waren besagte Feierwütige, die mit vielen Scherzen ihre offensichtlich gute Laune auf den gesamten Zug zu übertragen gedachten. Es begann damit, dass einer der nicht mehr ganz so jungen Männer laute Würggeräusche machte, was seine Stammesangehörigen sichtlich amüsierte, die Gruppe der jungen Intellektuellen jedoch veranlasste, verlegene Blicke zu tauschen. Neben mir war ein Platz frei, der von einem einsamen Rucksack belegt war, und ich versuchte, mich und den Rucksack durch mentale Kräfte unsichtbar zu machen, was nicht ganz gelang. Ein weiteres Mitglied der Gruppe musste offensichtlich ganz dringend einen Sitzplatz finden und artikulierte sich mühsam mit einem: wem gehört dieser Rucksack. Ich versuchte weiterhin die Unsichtbarkeitsnummer, während der Fahrgast, der dem Rucksack gegenüber saß, ihn als sein eigen auswies und bereitwillig an sich nahm. Der ziemlich angeschlagene Typ wandte sich nun an mich: lassen Sie mich da durch oder rutschen Sie eins weiter? Im Gedanken daran, dass ich mir einen Fluchtweg lassen sollte, murmelte ich, dass ich bald aussteigen muss und versuchte, meine Beine ein Stückchen zur Seite zu drehen, was schwierig ist, denn meine Beine sind sehr lang und der Platz zwischen den Sitzen sehr eng. Der Typ in Camouflagehosen und Kapuzenshirt quetschte sich irgendwie durch und ließ sich schweratmend fallen. Er atmete recht lange sehr schwer und ich begann mir ernsthaft Sorgen zu machen, dass er sich auf meine Tasche übergeben könnte. Er ließ jedoch seinen Kopf gegen die Fensterscheibe fallen und blieb bewegungslos so sitzen. Das Unglück nahm seinen Lauf, als die Dame mir gegenüber unbedingt bei der nächsten Station aussteigen musste. Ein Freund des Combattrouserträgers rief erfreut auf, ein Sitzplatz, unterbrach die Unterhaltung, die er einem ihm völlig Fremden aufgezwungen hatte und ließ sich mir gegenüber fallen. Meine Augen klebten auf den Vokabeln in meinem Japanischbuch. Ich kenne solche Typen und ich irre mich selten. Ich habe auch nichts gegen nette Unterhaltungen im Zug, auch nicht, wenn sie Freunde von Combattrouserträgern involvieren. Aber einseitiger Alkoholgenuss erschwert eine Unterhaltung doch sehr, weswegen ich gerne darauf verzichte. Wie erwartet, beugte sich der ebenfalls nicht mehr ganz so junge Mann in Jeansjacke interessiert über mein Buch, nachdem er mich einige Stunden lang intensiv angestarrt hatte. Ist das Chinesisch, fragte er freundlich. Nein, sagte ich, nicht besonders freundlich. Ist das Thailändisch, fragte er, noch immer freundlich. Nein, wiederholte ich, noch immer weniger freundlich. Um ihm die Mühe zu ersparen, weitere asiatische Sprachen aufs tableaux zu bringen, und velleicht auch, weil ich ungern unfreundlich erscheine, murmelte ich: Japanisch. Ein Fehler, wie sich sofort zeigte. Ah, Sayonara. Ist doch Japanisch, rief er hocherfreut. Ich schluckte und nickte ohne aufzusehen. Und Hai heißt ja, oder? Ich nickte wieder und wünschte mir sehnlichst die Ansage meiner Station. Na, dann kann ich doch schon alles, erklärte der Jeansträger zufrieden. Musst Du das auswendig lernen? Ich nickte enthusiastisch, noch immer ohne aufzusehen. Soll ich dich abhören? Schnell erklärte ich: nein, nicht nötig. Schade, murmelte der Jeansträger. Sein Combattrousertragender Freund rührte sich. Was ist mit mathematisch, lallte er. Der Jeansträger legte Stirnrunzeln in seine Stimme. Ich glaube nicht, dass das was mit Mathematik zu tun hat, erklärte er. Dann durfte ich endlich aufstehen. Der Jeansträger rief mir ein fröhliches Sayonara hinterher. Der Abend konnte nur noch besser werden.

Samstag, 7. Februar 2009

Kirche und Verbrechen

Nachdem die letzten zwei Wochen die Entscheidung des Pabstes zur Aufhebung der Exkommunikation von Angehörigen religiöser Gruppierungen eher zweifelhafter Art durch die Presse gezogen ist, wurde meine Wahrnehmung für ein Muster sensibilisiert. Zu diesem Muster gehören Pressemeldungen zwei Filme, die Donnerstag und Freitag auf 3Sat und Arte gezeigt wurden.

Der Film "Statement" zeigt hübsche Parallelen zum aktuellen Thema auf. In der Realität hebt der Papst die Exkommunikation von vier Mitglieder der Pius Bruderschaft auf, die gelinde gesagt rechte Tendenzen aufweist, und sich neben dem Bestehen auf obskuren religiösen Praktiken auch durch die Nichtakzeptanz der Beschlüsse des zweiten Vatikanischen Konzils besonders auszeichnet. Im Film geht es um einen französischen Nazi-Kollaborateur, der von einer rechten Gruppierung innerhalb der französischen Kirche geschützt wird. Im Film sagt der fiktive geistliche Gelehrte, den die auf Gerechtigkeit bestehende Richterin Livi aufsucht, etwas, das gut zur aktuellen Situation passt: In der katholischen Kirche gibt es viele Gruppen, die nominell alle dem Papst unterstehen, aber alle ihr eigenes Gesetz haben. So ist es. Und meiner Meinung nach, sollte sich die katholische Kirche, oder der Vatikan, als Regulierungsbehörde, gut überlegen, ob es wirklich unbedingt notwendig ist, alle diese Gruppierungen in die katholische Kirche einzugliedern um - was - Kontrolle auszuüben oder ein Schisma zu verhindern? Denn eine Organisation wie die Pius-Brüderschaft ist sicherlich nicht gewillt, sich anzupassen, nur um wieder im Schoss der katholischen Kirche zu kuscheln, eine solche Organisation wird eher das Ziel verfolgen, die katholische Kirche zu unterwandern und von innen heraus zu modifiieren. In eine Richtung, von der selbst ein Protestant wie ich nicht denke, dass sie die katholische Kirche einschlagen möchte.

Der andere Film "Requiem" hat eher am Rande mit diesem Thema zu tun, zeigt aber auch sehr schön, wie sehr die katholische Kirche versucht, ihren Einfluss geltend zu machen. Es geht um eine religiös erzogene Studentin, die an einer Epilepsie leidet, dadurch Stimmen hört und Wahnvorstellungen hat. Sie versucht verzweifelt, ihr Leben zu leben, hat schlechte Erfahrungen mit ärztlichen Behandlungen gemacht und wird von ihrer Mutter sehr restritkiv erzogen. Da ihre Wahnvorstellungen religiöser Art sind, wendet sie sich an ihren Pfarrer mit der Bitte um Hilfe. Dieser zieht einen jungen Kollegen heran, dem der Ehrgeiz nur so aus den betenden Händen tropft, und der schließlich einen Exorzismus vorschlägt. Der Film spielt in den 70er Jahren und diese Ereignisse haben tatsächlich stattgefunden. Die junge Frau stirbt in der Folge an Entkräftung durch wiederholte Exorzismen. Der Film deutet an, dass diese Wahnvorstellungen sie meist dann heimsuchen, wenn sie versucht, aus ihrem alten und anerzogenen Schema auszubrechen, wenn sie sich mit Freunden amüsiert, in die Disco geht, mit ihrem neuen Freund zusammen ist. Man ist also geneigt, daraus den Schluss zu ziehen, dass eine Art psychologische Verstärkung ihre Epilepsie beeinflusst und in einer bestimmten Art und Weise ausformt. Aber davon mal ganz unabhängig ist es grausam zu sehen, wie der junge Pfarrer der Studentin suggeriert, dass die Naturwissenschaften nicht alles sind und man sich besser in die Hand Gottes begibt als in die Hand der Ärzte.

Die Kirche, immer wieder gut für ein Kopfschütteln.

Dienstag, 27. März 2007

Arcade Fire

hat die tour abgesagt, oder zumindest das Konzert in Köln am Sonntag!

Das ist nicht nur schade, sondern auch noch blöd, weil ich extra für das Konzert früher von einer Kurzreise zurück komme...

Donnerstag, 10. August 2006

Terror ohne Ende

Hört das denn nie auf? Der neue Versuch in London, der gerade noch so verhindert worden ist, zeigt wieder einmal, wie brüchig die Sicherheit ist, in die man sich selbst wiegt. Die Tatsache, dass man längere Zeit nichts von Anschlägen gehört hat, heißt eben nicht, dass keine vorbereitet werden. Mit welcher Menschenverachtung von dieses Subjekten eine Art Wettbewerb darüber durchgeführt zu werden scheint, wer den spektakulärsten Anschlag konzipiert. Ein Menschenleben hat keinen Wert gegenüber einer Ideologie und zwar sowohl das Leben des Attentäters wie auch das Leben der Opfer. Und wer soll am Ende übrig bleiben? Die Ideologie? Es ist so dumm.

Der Terror verändert die Menschen, heißt es. Aber sie werden nicht ängstlicher und defensiver, sondern sie werden aggressiver, sie werden emotionaler und irrationaler. Terroranschläge sind sinnlos, weil sie nicht die Wirkung erzielen, die sie vorgeben. Hinter Terror steht kein Inhalt, auch wenn Terror immer als Mittel zu einem bestimmten Zweck dargestellt wird. Hinter Terror steckt nur die reine Lust an der Zerstörung. Es gibt keine vernünftigen Gründe, Terror-Anschläge auszuüben, es steht keine Verhältnismäßigkeit dahinter, und keine Rationalität. Das einzige Motiv für den Terror ist, jeden Einzelnen auf Hass zu reduzieren. Und das darf nicht geschehen, was auch immer in Zukunft passiert.

Dienstag, 8. August 2006

who the hell is robbie williams

schön, spielt heute in Köln, na und, ist das ein Grund dafür, über nichts anderes mehr im Radio zu berichten? Seien wir doch mal ganz ehrlich, musikalisch ist Mr. Williams nichtssagend bis grenzwertig. Aber man geht wahrscheinlich nicht wegen der Musik zu einem Robbie-Williams-Konzert. Man geht wahrscheinlich, weil die beste Freundin aus Imagegründen, die sie selbst nicht ganz versteht, gequietscht hat, Cool, Robbie Williams, da müssen wir hin. Seltsamerweise scheint es ein internationales Frauen-Muss zu sein, Robbie total toll zu finden, aber vielleicht ist das auch nur Teil des femininen Konsenses, zu dem auch die wieder erwachte Liebe zu Cocktails gehört. Zu einem Robbie-Williams-Konzert gehen ist so ein Frauen-Ding, oder? So ähnlich, wie zusammen nach Mallorca zu fliegen, "mal ganz ohne Männer", und sich die Hucke voll zu saufen. Was auch nicht wirklich Spass machen kann. Aber egal, ich bin eben langweilig. Also, dann mal viel Spass heute abend, bei mittelmäßiger Musik, grottiger Akustik und schlechter Sicht auf ein paar Videowände.

Mittwoch, 1. März 2006

Aschermittwoch

Weiberfastnacht

So sah es noch am Montag in der City aus, aber heute ist Aschermittwoch und alles ist vorbei. Das heisst, dass vielleicht endlich auch das gefrorene Erbrochene von der Stadtreinigung entfernt wird. Vielleicht. Allerdings, warum müssen die armen städtischen Arbeiter das machen, warum ermittelt man nicht die DNS und lässt das die Säufer selbst wegmachen?

Mein persönlicher Aschermittwoch besteht darin, dass ich seit zwei Tagen krank auf der Couch liege, lese und döse, weil ich zu nichts anderem fähig bin, was aber auf Dauer kein zufriendenstellender Zustand ist. Darum raffe ich mich auf, gehe morgen wieder zur Arbeit und stecke meine Kollegen an.

Samstag, 18. Februar 2006

Clap your hands say yeah

sind die neuen Lieblinge der Alternative-Scene, weil sie direkt einen alternativen Weg in die Musikszene genommen haben (über das Internet), weil sie alternativ aussehen (eine Art No-Look) und weil der Sänger singt wie David Byrne. Und es war ein nettes Konzert, die Bühne voller roter Luftballons in einem proppenvollen Gebäude 9. Neben den Songs der CD gab es ein paar neue Sachen, die durchaus interessant klangen.

Vielleicht war ich auch einfach nur etwas müde, so dass sich die spontane Euphorie nicht so recht einstellen wollte, allen anderen scheint es jedenfalls gut gefallen zu haben. Andererseits gibt es Musik, die einen berührt, und Musik die eher an einem vorbeiläuft. Bei CYHSY ist es nicht die Liebe auf den ersten Blick gewesen, eher Neugier aufgrund des Internet-Hypes, und wahrscheinlich wird es die große Liebe auch nicht werden. Aber das hat nichts mit der Qualität der Musik zu tun, eher so gar nicht.

Manchmal ist es auch etwas anstrengend, neue und interessante Sachen mögen zu wollen, die sich nicht sofort ins Herz spielen. Und vielleicht sollte man es dann auch lassen. Andererseits verdient jeder eine weitere Chance, so dass ich mir die CD in ein paar Wochen noch mal ein paar mal hintereinander auf meinem mp3-player geben werde.

Abgesehen davon möchte ich an dieser Stelle bemerken, dass das Leben sowiso immer anstrengender wird, und das mag mit dem Älterwerden zusammenhängen, auch wenn man das nicht so gerne hört.

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