Donnerstag, auf dem Geburtstag meines Patenkindes, schwärmt meine Freundin die ganze Zeit vom letzten Samstagabend, wo sie endlich mal wieder feiern konnte, weil die Schwiegereltern das Kind genommen haben. Ihr Mann meint scherzhaft, als wir gehen: Und, wollt ihr A. nicht mitnehmen? Sonntag, Familienfeier, und die Cousine meines Freundes redet die ganze Zeit von Kinderbüchern und Fernsehserien. Und von dem kommenden Urlaub im Familienclub auf Mallorca. Ideal für Kinder, wir fahren ja jetzt sowiso nicht mehr so viel herum. Interessant ist auch immer der schuldbewußte Blick anderer Freunde, die früher viel gereist sind, und jetzt gebaut und ein Kind bekommen haben. Sie sagen, eigentlich vermissen wir das gar nicht so. Wir haben es ja auch nicht anders gewollt. Die Mutter meines Patenkindes ebenfalls: Ich wollte es ja so. Als ob sie sich rechtfertigen müssen. Vor mir, die ich kinderlos bin. Denken sie, ich grinse schadenfroh, weil ich meine Freiheit genießen kann, weil ich in Urlaub fahren, und alle Klamotten kaufen kann, die ich möchte? Glauben sie, ich erwarte von ihnen, dass sie mich beneiden? Und ich versichere ihnen immer schleunigst, dass ich es völlig in Ordnung finde, wenn man Kinder hat, und dafür auf anderes verzichtet. Das Kind wiegt das doch auf. Sie nicken, unsicher, wie ernst ich das meine. Wie ernst meine ich es? Das Leben wird so eng, mit einem Kind. So eng. Wird mir das auch passieren?
teildesganzen - 26. Jul, 15:42
„Goth“ von Kendi Oiwa ist eiskalt. Wenn Mangas nicht prinzipiell in schwarz-weiß gezeichnet würden – für diesen Manga hätte es keine anderen Farben gegeben. Außer vielleicht blutrot.
Die Obsession für den Tod verbindet zwei japanische Mittelstufenschüler, Kamiyama, rational, elegant, gefühllos, und Morino, eine Außenseiterin, die niemanden an sich heranlässt. Kamiyama ist von Morina fasziniert, von der Narbe an ihrem Handgelenk, von ihrer kühlen Teilnahmslosigkeit, sie wird Teil seiner Mordphantasien und –pläne. Äußerlich sind sie verbunden durch das gemeinsame Interesse an bizarren Verbrechen, die ihre Intelligenz herausfordern und ihre grausamen Neigungen befriedigen. Sie lösen die Fälle zu ihrem eigenen Vergnügen, sie verbinden damit keinerlei moralische Ziele. Es ist ihnen gleich, wenn der Killer entkommt, sie lassen ihn ziehen, selbst, wenn sie selbst in Gefahr waren.
Beide haben jedoch auch eigene Motive, aus denen sie Kontakt zueinander suchen. Kamiyama ist von dem Gedanken beherrscht, Morino zu töten, während Morino unbewusst einen Weg aus ihrer Einsamkeit sucht, mit der sie sich umgibt, um ihre Vergangenheit zu verbergen. Sie weiß, dass Kamiyama der einzige ist, der diese Vergangenheit entschlüsseln kann. Am Ende muss sie erkennen, dass sie für Kamiyama nie mehr ist, als ein Objekt seiner Mordphantasien. Nachdem er letztlich auch ihren Fall gelöst hat, verliert er das Interesse an ihrer Person und geht mit den Worten: „Wenn du irgendwann wieder einmal sterben möchtest, sag mir einfach Bescheid! Ich werde das dann für dich erledigen.“ Mit diesen Worten schließt sich der Kreis für Kamiyama, für den das Interesse an Morino mit ihrer Selbstmordnarbe begann.
teildesganzen - 24. Jul, 19:05
diese welt ist nicht mehr transzendent, sie ist wysiwyg, gekauft wie gesehen. vielleicht ist das schade, vielleicht wollen wir es auch nicht anders. das bisschen schein-transzendenz, das uns angenehm ist, ist eine harry-potter-transzendenz, die gerade bis nach hogwarths reicht. vielleicht wäre der verlust der transzendenz aber zu verschmerzen, wenn wir nicht die immanenz an ihre stelle gesetzt hätten. wir richten unsere fragen nur noch an uns selbst und finden dort die antworten, die wir finden wollen.
teildesganzen - 20. Jul, 12:55
Als wir Sonntag vor einer Woche auf dem verregneten Grillfest des TT-Vereins waren, so ein richtiges Familiengrillen, mit Ehefrauen, Kindern, und Bergen von Fleisch, saß mir ein Mädchen gegenüber, ca. 13 Jahre alt, Brille. Sie hatte ein Buch auf den Knien, und las, die ganze Zeit, ohne aufzuschauen. Ich habe sie gefragt, was sie liest und sie guckt mich an und meint, Harry Potter. Ich frage, wie oft sie den Band schon gelesen hat, es ist der letzte, sie sagt, viermal. Wird das nicht langweilig, meine ich, sie schüttelt den Kopf. Die anderen Bände hat sie auch schon drei bis viermal gelesen. Scheiße, dachte ich, du warst auch mal so. Bücher immer wieder lesen, war früher nicht langweilig. Heute ist das anders, wenn man älter ist, liest man selten ein Buch zweimal. War es früher gut, die gleiche Amosphäre immer wieder zu reproduzieren, die gleichen Gefühle immer wieder zu durchleben? Versucht man das heute nicht auch, wenn auch nicht mit dem gleichen Buch, stattdessen aber mit Buch-Serien? Vielleicht lag es auch einfach daran, dass man früher mehr gelesen hat, mehr Zeit zum Lesen hatte, und zwangsläufig darauf angewiesen war, ein Buch mehrmals zu lesen, bis endlich der Nachfolgeband rauskam.
teildesganzen - 13. Jul, 13:47
die beste, momentan im tv laufende, anime-serie ist zu ende: noir. eine weitere reminiszenz an killer, in der tradition von weißkreuz. vollgepackt mit schuldgefühlen, reflexionen über richtig und falsch, übernahme von verantwortung. dazwischen geniale kampfszenen. die story: kirika, eine junge japanerin, findet sich ohne jede erinnerung in einer unbekannten umgebung, stellt jedoch fest, dass sie eine bestens ausgebildete killermaschine ist, die ohne jede emotion töten kann. sie nimmt kontakt zu mireille bouquet auf, als zuverlässige killerin unter dem namen noir bekannt, um sie zu bitten, ihr bei der suche nach der vergangenheit zu helfen. von paris aus nehmen sie aufträge an und geraten an eine geheime organisation, die sich soldats nennt, und die sich als der schlüssel zu ihrer beider vergangenheit herausstellt. dann taucht eine weitere killerin auf, die behauptet, die wahre noir zu sein, chloé. sie ist die verbindung zu altena, eines mitgliedes der soldats, die jedoch ihre eigenen ziele verfolgt: die grand retour. kirika und mireille finden sich als spielbälle in einem netz von unterschiedlichen interessen wieder, das auch ihre eigene relation beeinflusst, welche sich von einem reinen zweckbündnis zu einer art freundschaft entwickelt, bis beide mit den wahren wurzeln ihrer verbindung konfrontiert werden.
der anime ist eine mischung aus action und mystik, superschön gezeichnet, und interessanten Kontrasten zwischen sehr schnellen passagen und langen einzeltakes.
teildesganzen - 7. Jul, 10:06