ist Bonn Bad Godesberg, und ihr Zentrum bildet der Lagerverkauf eines bekannten Fruchtgummi-Produzenten, dessen Namen ich aus Schleichwerbungsgründen nicht preisgeben sollte, aber es ist ja eigentlich nicht meine Schuld, daß Katjes keinen Lagerverkauf hat. (Falls doch, bitte ich um umgehende Kontaktaufnahme). Da farbstoffhaltiges, süßes, kohlenhydratreiches Gummizeug zu meinen Hauptnahrungsmitteln zählt, habe ich mich natürlich kiloweise eingedeckt. Gut, es ist nicht billiger als in Discountern, aber die können leider kein besonders umfangreiches Sortiment aufweisen, und immer nur Colorado oder Lakritz-Mix, bzw. Gummibären, das ist auf die Dauer zu einseitig und darum auch nicht gesund. Dem Monokonsum wird durch eine Vielfalt entgegengetreten, die den Extrem-Verbraucher mit Fassungslosigkeit erfüllt. Nach den ersten Jubelausbrüchen läuft man also erst mal eine halbe Stunde durch die Gänge und versucht, eine Bestandsaufnahme zu machen, sowie eine Prioritätenliste zu erstellen. Die Rettung kommt in Form einer überdimensionalen Selbstbedienungstheke, die alle wichtigen Sorten enthält, und an der man, enthemmt durch die Präsenz weiterer Süchtiger, Tüten von der Größe eines Müllbeutels füllt. Die nebenstehende Lebensmittel-Waage kann zugunsten eines gesunden Schwere-Gefühls ignoriert werden, nach dem Grundsatz von Miss Piggy: Iß nie mehr, als du tragen kannst. Das beste an der SB-Theke ist die Möglichkeit, daß man auch das blaue und grüne Ekelzeug stückeweise erwerben kann, das man vorher aus Selbsterhaltungsgründen nicht in Tüten kaufen wollte. Da tun sich ganz neue Geschmackserlebnisse auf, die allerdings sämtlich nichts mit der uns umgebenden Natur zu tun haben. Aber egal, wenn die Alien-Invasion kommt, bin ich ernährungstechnisch schon mal vorbereitet.
teildesganzen - 2. Apr, 21:35
Köln ist die erste Station der Deutschland-Tour. Entsprechend nervös ist Melissa auf der Mauer bei den ersten beiden Stücken, die soundmäßig unterirdisch schlecht sind, weil der Prime-Club einfach zu klein für die Soundwälle ist. Dann platzt der Knoten und es wird gut. "If you have a dream, then pass it on", ist eine Zeile aus "i need, i want, i will" und irgendwann scheint es so, als ob wir alle Teil von Melissas Traum sind, einem rot-goldenen, efeu-bewachsenem Traum von künstlerischer Freiheit. Unter den Super-Egos Courtney und Cogan muß sie fast kaputt gegangen sein, dementsprechend genießt sie nun die Frontfrau-Rolle, den direkten Kontakt zum Publikum, die Zustimmung zu der CD, die ihr selbst so wichtig ist, weil sie ihr Projekt ist. Und sie ist ein Performer, sie singt die Stücke nicht nur, sie drückt sie aus. Die Stimme ist auch live ok, die kleinen Unsicherheiten gehen als Fragilität durch, und sie gleicht das durch Spielfreude wieder aus. Nach ca. einer Stunde ist die CD komplett durchgespielt, und als Zugabe gibt es dann noch ein unveröffentlichtes Stück, ihr allererstes Selbstgeschriebenes, wie sie erzählt. Dann ist sie weg, aber eigentlich ist sie jetzt erst richtig da. Und die Baßgitarre ist auch in Wirklichkeit so groß.
teildesganzen - 31. Mär, 15:30
gestern in Aachen, das war mal wieder ganz große Kunst. Ich hatte ja nun zum ersten Mal das Vergnügen, Sie auf der Bühne zu erleben, und ich muß sagen, chapeau. Sie haben es geschafft, die Aachener Grenzlandbevölkerung mit einem Feuerwerk von Guter Laune über Nacht zu Ruhrpott-Fans zu machen, und es würde mich nicht wundern, wenn der eine oder andere seinen nächsten Sommerurlaub in Dortmund-Scharnorst verbringt, der Perle des Ruhrgebiets. Danke dafür, und auch für die wichtigen Einblicke in die Seele von Männern, sowie Überzeugungs-Prolls, was ja in den meisten Fällen identisch ist. Gut, wenig überraschend ist, daß dieser Teil der Erdbevölkerung neben Sex nur noch an Essen denkt, aber es ist immer nett, in Vorurteilen bestätigt zu werden. Heilsam war auch die erneute Erinnerung an Der-den-Hebel-nicht-zieht, nach einem Baby-Wochenende vom Feinsten, mit einem Neugeburtsbesuch und einer Taufe, eine wirklich gelungene Abrundung. Denn so knuddelig die kleinen Monster auch sind, wie ich als frischgebackene und hochmotivierte Patentante konstatieren muß, sie sind manchmal etwas schwierig, was vielleicht an Störungen im Kommunikationsfluss liegen mag, meist aber einfach darauf beruht, daß sie wissen, daß sie knuddelig sind. Nun, Herr Schröder, ich weiß nicht, ob ich ein Kind von Ihnen will, aber ich möchte auf jeden Fall Ihre Sandra Kamps sein, und wenn ich einen Fantasialandaufkleber auf meinem Wagen gehabt hätte, hätte ich ihn gestern im Parkhaus noch abgekratzt. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder, auch wenn das auf gar keinen Fall auf Schalke sein wird (der einzige Kritikpunkt an Ihrer ansonsten unübertroffenen Geschmackssicherheit), und grüßen Sie mir Essen.
teildesganzen - 29. Mär, 09:40
Autobahnfahren erinnert mich immer an einen Zeitpfeil. Es geht vorwärts und auch die Zeit existiert hauptsächlich in der Zukunft. Man antizipiert das, was noch kommt: gleich kommt die Talbrücke, später auf die A1 wechseln, in einer Stunde bin ich zu hause. Wenn ich an einem Stau vorbeifahre, bin ich den Autofahrern, denen ich in fünf Minuten begegne, und die noch munter 130 fahren, in ihrer Zeit voraus: ich kann in ihre Zukunft sehen und weiß, daß sie gleich abbremsen und danach im Stau stehen. Kennt Autobahnfahren ein Jetzt? Irgendwie ist es die reale dynamische Abbildung des „Jetzt ist jetzt schon wieder vorbei“, weil ich mich ständig bewege, und diese Bewegung ist so gleichförmig, so schnurgerade und von Leitplanken eingeschränkt, geradezu plastisch für den Fluß der Zeit. Die Vergangenheit hinter mir entfernt sich immer weiter und meist bin ich nicht in der Stimmung, beim Autobahnfahren Erinnerungen zu wälzen. Das passt nicht zur Dynamik des Fahrens. Außerdem ist Autofahren genauso leer, wie es die mechanische Zeit ist, reine Abfolge, Aufmerksamkeit, Aufnehmen – mehr nicht. Sehr erholsam und irgendwie auch beruhigend, weil man das trügerisch schöne Gefühl hat, das es vorwärts geht, egal wenn dieses Vorwärts nur quantitativ ist.
teildesganzen - 27. Mär, 21:45
Vielleicht ist Reden über Fußball manchmal unterhaltsamer , als das Spiel selbst. Ich liebe lustige kleine Geschichten wie die über Franco Foda, oder Sprüchesammlungen von Fußballpromis, ich finde die Fußball-Historie interessant und Betrachtungen über die soziologischen Verknüpfungen von Fußball und Gesellschaft. Ich mag die Sentimentalität und die Euphorie, die Fußball bei dem männlichen Teil der Bevölkerung hervorruft. Auf der lit-cologne Veranstaltung „11 Freunde“ ist mir mal wieder aufgefallen, wie nett eine Welt ist, in der Fußball im Mittelpunkt steht. Etwas, das das Leben strukturiert (durch die Spieltage und dem Saisonwechsel), das Verbindungen knüpft zwischen Leuten, die sich sonst nicht so viel zu sagen haben (im Stadion, aber auch sonstwo), das Identitäten schafft (durch Fan-Sein), wenn man es mit den Identitäten nicht übertreibt, natürlich (durch Fan-Atismus). Und das Sympathische an der Sache ist, daß dieses Etwas selbst nur ein Spiel ist. Vielleicht vergißt man das manchmal, wenn man die Wirtschaftskolosse betrachtet, die sich um das Phänomen Fußball gebildet haben, aber langfristig trägt das nichts zum Realitätsfaktor des Fußballs bei. Fußball ist ein Phänomen, nichts weiter, es ist nichts Reales, es erhält seine Wirklichkeit nur durch uns. Und diese Wirklichkeit besteht in gemeinschaftlichem Entertainment, in einem Zusammen-Spiel, das nicht nur im Fußball-Kern zu finden ist, also auf dem Platz, sondern sich bis in die Peripherie ausbreitet, bis in die ganzen Theorie-Randerscheinungen. Es ist eines der harmlosen, unwesentlichen und skurrilen Sachen, die wir geschaffen haben und der wir eine Wirklichkeit verliehen haben, in der wir uns aufhalten, und die wir immer weiter ausbauen können. Das können nur wir, und genau dafür mag ich diese kontingente Spezies Mensch.
teildesganzen - 20. Mär, 18:05